Liebe Bedienstete der Polizei!
Die vergangenen Tage habe ich immer wieder Beiträge im Radio zum Thema Fasten, Abnehmen, gesunde Ernährung gehört. Da ging es um Heilfasten, Intervallfasten oder Scheinfasten. Ja, dachte ich, ist gerade Fastenzeit.
Jetzt zu Beginn des Frühlings machen sich offenbar viele Gedanken zum gesundheitsförderlichen Effekt des zeitweisen Verzichts auf Essen. Aber: Wir sind auch in der Mitte der sogenannten „Fastenzeit“ aus christlicher Sicht angekommen. Zwischen Aschermittwoch und Ostersonntag liegen ungefähr sieben Wochen, in denen wir auf liebgewonnene Dinge verzichten sollen: Süßigkeiten, Alkohol, Handyspiele, Autofahrten sind die Klassiker. Unter dem Slogan „Sieben Wochen ohne“ sollen wir dem nachspüren, was uns zwischen dem, was wir im Alltag oft unbewusst so alles tun, wichtig ist, glücklich macht und uns durchs Leben trägt. Da geht es mehr als nur ums körperliche Fasten, Entschlacken und Regenerieren, was selbstverständlich sinnvoll ist und gut tut.
Ich verzichte in den Wochen vor Ostern traditionell auch auf etwas, was ich gerne mache: Nämlich Kuchen zu essen. Körperlich ist das wohltuend. Das zeigt mir spätestens der Hosengürtel nach einer Weile. Aber: Seit einigen Jahren mache ich mir parallel „Sieben Wochen mit“ zum Motto. Nämlich mit mehr Einkehr, mit mehr Zeit zum Nachdenken über mich, mein Leben, die Menschen um mich herum, Gott. Mir morgens und abends mehr Zeit nehmen für ein paar Verse aus der Bibel, ein paar anregende Text-Impulse oder fürs Gebet. Oder über Tag auch mal „runterfahren“ und ein paar nachdenklichen Liedern bewusst zuhören. Das hält das „Hamsterrad“ mal für einen Moment an, entspannt, lässt mich achtsam sein. Und: Für mich tun sich da so manches Mal neue Perspektiven auf. Ich denke nochmal in eine andere Richtung. Oder ich sage: „Stimmt, so habe ich das auch noch nicht gesehen. Gute Idee. Zukünftig werde ich das anders machen“. Mir helfen dabei die Anregungen aus einem liebevoll gestalteten sogenannten „Fasten-Wegweiser“, den jedes Jahr neu der Verein „Andere Zeiten“ in Hamburg unter dem Titel „wandeln“ herausgibt.
Darin war neulich etwas Interessantes über „Ortswechsel“ in der Fastenzeit zu lesen: „Ich habe meine Stammplätze: am Esstisch, auf meinem Schreibtischstuhl, links auf dem Sofa, in meinem Lieblingscafé, auf der Kirchenbank, im Kino in Reihe F möglichst in der Mitte. Hier sitze ich immer und es ärgert mich, wenn mein Stammplatz besetzt ist. Nur aus Höflichkeit trete ich dem unwissenden Besuch mein Platzrecht ab, während ich mich woanders hinsetze. Selbst in der eigenen Küche kann das sehr ungewohnt sein: Statt aus dem Fenster zu schauen, habe ich es plötzlich im Rücken, das Licht ist anders und an der Decke sehe ich mit einem Mal überall Spinnweben! Neue Plätze verrücken den Blick. Vielleicht wird deshalb an Stammtischen so selten über den eigenen Tellerrand geschaut. Ich nehme mir daher vor, mehr Stühletausch zu wagen. Wir könnten zu jeder Mahlzeit im Uhrzeigersinn weiterrutschen. Den Schreibtisch könnte ich in einem anderen Winkel zum Fenster stellen. Im Café setze ich mich mitten rein, in der Kirche auf die Empore und im Kino in die erste Reihe und schaue, ob das mit den Nackenschmerzen stimmt. Mal sehen, welche neuen Plätze und Blickwinkel ich bis Ostern entdecke“ (Oliver Spies).
Schon Kleinigkeiten, die ich im Alltag einfach mal anders mache oder betrachte, können meinen gewohnten Blick auf die Dinge erstaunlich verändern. Egal ob mit oder ohne Fasten.
In diesem Sinne wünsche ich Euch und Ihnen möglichst viele wohltuend neue Erfahrungen und Einblicke vor Ostern.
Ihr/Euer Norman Roth (Polizeiseelsorger der Evangelischen Kirche der Pfalz)