Jetzt im November gibt es traditionell viele Gedenktage: meistens für traurige schreckliche Ereignisse in der Geschichte unseres Landes oder für liebe Menschen, die verstorben sind und uns fehlen – Familienmitglieder, Freunde, Kolleg:innen. Von Allerheiligen über die Reichspogromnacht und den Volkstrauertag bis hin zum Totensonntag spannt sich der dunkle Monat im Herbst.
Dieses Jahr hat er zusätzlich mit einem denkwürdigen Paukenschlag-Tag begonnen: Am 6. November wurde der höchst fragwürdige und schwer einzuschätzende Republikaner Donald Trump zum 47. Präsidenten der USA gewählt. Und am Abend dominierte plötzlich der Bruch der Ampelkoalition in der Bundesregierung die Nachrichten. Beide Ereignisse waren von vielen befürchtet worden. Aber irgendwie war doch immer noch die Hoffnung da, dass sich beides schließlich doch noch in eine andere Richtung entwickelt. In den letzten Tagen hat sich Frust und Unsicherheit in meiner Umgebung breit gemacht wie wohl alles weitergeht. Manch eine und einer schien mir sogar ängstlich zu sein. Kolleg:innen erzählten mir von mieser Stimmung bei ihnen selbst und in Dienstbesprechungen am 7. November. Und jetzt auch noch die Frage auf dem Klimagipfel in Baku, ob uns die Klimakrise überfordert.
Da kam den Karnevalist:innen und Fastnachter:innen unter uns, der Beginn der 5. Jahreszeit am 11. November wohl gerade recht. Ausgelassen und friedlich wurde auf den Straßen und Plätzen in vielen Städten unseres Bundeslandes gefeiert. So einige Kaltgetränke werden als Stimmungsaufheller und vermeintliche Seelentröster gedient haben. Der Kater am nächsten Tag hat dann aber umso heftiger wieder zurückgeholt in die Realität des Lebens, dieser Zeit und der Welt.
Interessant fand ich, dass ich just an jenem 11. November abends auf tagesschau.de einen Artikel über Resilienzforschung „Besser mit schlechten Nachrichten umgehen“ >> lesen konnte. Das war bestimmt kein Zufall. Ich hab das zum Anlass genommen, nochmal darüber nachzudenken, was aus meiner Sicht hilft, mit so vielen schwierigen und unsicheren Entwicklungen – gepaart mit den schweren Gedenktagen in diesem Monat – zu leben.
Zunächst ganz kurz die Einsichten und Tipps, die der Medienartikel geliefert hat: Die gute Nachricht zuerst: Die Auswertung mehrerer Studien hat gezeigt, dass es die Mehrheit der Bevölkerung schafft, auch in einer Krisenzeit mental stabil zu bleiben. Wir Menschen erreichen das durch unsere eigene psychische Widerstandskraft. Mittlerweile auch bekannt unter dem Stichwort „Resilienz“. Gemeint ist die Fähigkeit, mit Stress und Belastungen umgehen beziehungsweise sich von diesen erholen zu können. Das lässt sich trainieren. Vielen hilft es, sich nicht ständig neuen Nachrichten auszusetzen, um bewusst zwischendurch zur Ruhe zu kommen. Ein gesunder Lebenswandel mit ausreichend Sport, Entspannung, gutem Schlaf und ausgewogener Ernährung fördert die psychische Widerstandskraft. Außerdem macht die Unterstützung durch Familie und Freunde resilienter.
Aus meiner Erfahrung hilft es auch, sich immer wieder bewusst an schöne und gelungene Dinge in der letzten Zeit zu erinnern. Und regelmäßig Sachen zu machen, die uns gut tun: ein Kino- oder Konzertbesuch, ein gemütliches Abendessen, musizieren, handwerkern, etwas Kreatives tun oder ein inspirierendes Buch lesen, und vieles mehr. Das ist sehr individuell. Wichtig ist, dass uns diese Dinge auf positive und hoffnungsvolle Gedanken bringen. Und mögliche negative Gedankenspiralen durchbrechen. Bekannte hatten zum Beispiel am Abend des 11. November Bilder in ihrem Messenger-Status von einer Martinsfeier. Gemeinsam erinnern wir uns an dem Tag an Martin, der aus Mitgefühl und Nächstenliebe seinen Mantel mit einem Bettler geteilt hat. Bis heute tragen die Kinder mit ihren Laternen Lichter in die dunkle Zeit. Und setzen damit ein Zeichen für das, was uns wichtig ist.
Und damit sind wir noch bei zwei Dingen angelangt, die ich mindestens genauso wichtig erachte, um dauerhaft gut mit vielen schlechten Nachrichten umgehen zu können:
Zum einen: Versuchen, selbst aktiv zu werden und positive menschliche Zeichen in unserer Umgebung und Gesellschaft zu setzen. Ich kann mich mit meinen begrenzten Möglichkeiten für ein gutes Miteinander und Leben vor Ort einsetzen. Egal, ob ich mich in einem Verein, in einer demokratischen Partei, einer Selbsthilfegruppe, einer Organisation oder religiösen Gemeinschaft engagiere. Oder ob ich mich in irgendeiner Weise Menschen zuwende, die um einen lieben Menschen trauern, mich mit ihnen zusammen erinnere und Schmerzliches einfühlsam und geduldig aushalte. Wichtig ist: Ich werde und bin selbst aktiv. Ich bin nicht nur ohnmächtig dem Lauf der Dinge ausgeliefert. Sondern ich kann auch selbst etwas tun. Und sei es noch so klein und wenig. Wie es in einem Lied heißt: „Viele kleine Leute an vielen kleinen Orten, die viele kleine Schritte tun, können das Gesicht der Welt verändern, können nur zusammen das Leben bestehn“.
Zum anderen: Manchen unter uns, und auch mir, hilft es, um den Beistand „von ganz oben“ zu bitten. Die Fragen, Unsicherheiten, Ängste, Zweifel, Traurigkeiten und Belastungen Gott vortragen. Das erinnert mich daran, dass es da noch eine himmlische Kraft über allen begrenzten Möglichkeiten von uns Menschen gibt. Und lässt mich hoffen, dass uns alle und mich jemand in allem auf unsichtbare Weise in seinen Händen hält. Dazu passt der Schluss des kurzen Liedes von den vielen kleinen Leuten an den vielen kleinen Orten, die viele kleine Schritte tun: „Gottes Segen soll sie begleiten, wenn sie ihre Wege gehen“.
Kommt und kommen Sie mit genügend Kräften eigener und himmlischer Art durch diesen denkwürdigen November.
Herzliche Grüße
Ihr/Euer
Norman Roth, Polizeiseelsorger Ev. Kirche der Pfalz
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